Sie sind zu Legenden und Sagen, Mythen und Märchen geworden. Manche Ereignisse haben sogar Eingang in die Weltliteratur gefunden. Von Generation zu Generation werden sie gelesen, weitererzählt und weitergesponnen. So bleibt die Vergangenheit unauslöschlich in unserem Gedächtnis. Wer voller Neugier den Geheimnissen und Rätseln des Landes nachspürt, kann schrulligen Originalen und merkwürdigen Vögeln begegnen – oder den Geistern der Vergangenheit.
Wer beispielsweise in Lippstadt seine Augen offen hält, der kann in der Lippe die Seejungfer Undine entdecken. Von Zeit zu Zeit erscheint in der Dämmerung und in der Dunkelheit des Abends unter der Wasseroberfläche ein merkwürdig grüner Lichtschein. So kündigt sich das verzauberte Wesen an. Es heißt, dass die Seejungfer dem Besucher Glück bringt. Der Desenberg bei Warburg soll nach den „Dasen“ benannt sein, göttlichen weiblichen Wesen, die bald als gütige Schutzgeister, bald als Unholdinnen des Göttervaters Wodan auftraten. In Schloss Eringerfeld bei Geseke spukt ein Schlossgespenst herum. Es heißt, hinter diesem Gespenst stecke der „Schwarze Rappo“. Der soll ein Raubritter gewesen sein. Er trug einen auffällig schwarzen Schnurrbart und stand mit dem Teufel im Bunde. Mit dessen Hilfe erschreckte er die Leute durch böse Zauberkunststücke. Der Mann hatte viele Leben auf dem Gewissen, besonders die von Kaufleuten, die er am alten Hellweg überfiel. Bis heute drohen die Mütter von Oestereiden und Eringerfeld ihren Rangen mit dem schwarzen Rappo, wenn sie nicht gehorchen wollen.

Die schaurige Welt von Schuld und Sühne in alten Zeiten wird in der „Hohen Pforte“ in Quakenbrück lebendig. Sie wurde 1485 erbaut und ist das letzte noch erhaltene Stadttor der alten Hansestadt. Im zweiten der vier Stockwerke ist man „Up de porten“ und beim „Schrubbekasten“. So wurde damals das in zwei Räume unterteilte Gefängnis genannt. Die eine Hälfte war mit Holzbänken und Ketten zum Fesseln ausgestattet und diente zum Arrest „zänkischer Weyber“. Dies war der „Schrubbekasten“. Die andere Hälfte, „Up de Porten“ genannt, beherbergte das von jedermann gefürchtete Stadtgefängnis für die Leute, die schwere Verbrechen begangen hatten.
„Die Judenbuche“ von Annette von Droste Hülshoff gehört zur Weltliteratur, aber die wenigsten wissen, dass die Geschichte einen Mord beschreibt, der tatsächlich im Dorf Bellersen bei Brakel stattgefunden hat. Das Mordopfer, ein Jude, wurde in der Novelle wie in der Realität am Fuße einer Buche im Wald gefunden, die daraufhin Judenbuche genannt wurde. An den Ort, an dem sich die Judenbuche befunden haben soll, erinnert noch heute ein Gedenkstein.

Am Freistuhl in Flamschen bei Coesfeld wurde vom Mittelalter bis in die Neuzeit unter freiem Himmel über Missetäter Recht gesprochen – und über die Jahrhunderte so manches Todesurteil gefällt. In Recklinghausen regt der „Turm der Bösewichter“ auf dem ehemaligen Wallring um die historische Altstadt die Fantasie an.
In Soest gibt der schiefe Turm der Alt-St.-Thomä-Kirche bis heute Rätsel auf. Richtung Westen verbeugt sich der Turmhelm, welcher der Kirche 1653 aufgesetzt wurde, nachdem der vorherige im Dreißigjährigen Krieg abgebrannt war. Ob der Turm jedoch bewusst schief angelegt wurde, um beispielsweise den Süd-West-Winden zu trotzen, oder aber ob er sich erst im Laufe der Zeit verzog, beschäftigt Bauforscher noch heute. Auch der „Stumpfe Turm“ In Lemgo birgt ein Geheimnis: Er ist das Überbleibsel einer Kirche, die im 12. oder 13. Jahrhundert errichtet und 1638 während des Dreißigjährigen Krieges zerstört wurde. Durch wen oder warum dies geschah, ist bis heute nicht genau geklärt.

In alten Zeiten saßen sie auf vielen Kirchtürmen und wachten über ihre Städte – heute gibt es nur noch drei Türmer in ganz Deutschland. Einer davon arbeitet in Münster, und ist eine Frau. Martje Saljé ist die Türmerin auf dem Turm der Lambertikirche. Sie hat das höchste Dienstzimmer der Stadt inne. Ihr Horn, das ein wenig nach einem Nebelhorn klingt, hört man allnächtlich, zwischen 21 Uhr und Mitternacht über den Dächern der Altstadt Münsters.

Von der Höhe der Türme in die geheimnisvollen Tiefen der Erde: Märchenhafte Schätze gibt es in Korbach zu entdecken. Im Eisenberg beim Ortsteil Goldhausen befindet sich die größte Lagerstätte des edlen Metalls in Deutschland. Bereits 1250 schwärmte der große Gelehrte Albertus Magnus von der Qualität des Korbacher Goldes. Doch der Schatz ist schwer zu heben. Nur in ganz wenigen und dünnen Gesteinsschichten sind winzige Goldkrümel eingewachsen. Schätze mit goldenen Münzen, Geschmeide und Edelsteinen sollen unter den eingefallenen Mauern der Burg Blankenstein bei Hattingen und in einem Brunnen im Dom von Paderborn verborgen sein.

Nicht immer sind es Gold und Edelsteine, die in der Erde schlummern, manchmal sind es auch nur Spuren der Vergangenheit. Im Emsauenpark von Telgte entführt eine Pfostenallee in die Bronzezeit. Bei archäologischen Grabungen in den 1980er Jahren wurde in Telgte-Raestrup ein stattlicher Grabhügel entdeckt, auf den eine fast 40 Meter lange Allee hölzerner Pfosten zuführt. Man nimmt an, dass hier vor etwa 3.700 Jahren in einer prozessionsähnlichen Zeremonie bestattet wurde. Der Napoleonshügel bei Telgte weist in die Zeit des französischen Eroberers Napoleon zurück. Der Kaiser plante Anfang des 19. Jahrhunderts für sein Reich eine vierspurige Heerstraße zwischen Paris und Lübeck, in Telgte hatten die Bauarbeiten schon begonnen. Mächtige Holzpfähle wurden als Brückenfundament in den Flussgrund der Ems gerammt, um einen Übergang zu befestigen.
Fertiggestellt wurde die „Napoleonstraße“ und ihre Brücke über die Ems nie. Der kleine Korse verlor die Völkerschlacht bei Leipzig und sein angemaßtes Kaiserreich, die Bauarbeiten wurden gestoppt. Der Hügel, der damals entstand, ist etwa 50 Meter lang und 15 Meter breit und steigt auf etwa drei Meter Höhe an.