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Wächterin der Nacht – und der Täufer

Drei gibt es nur in ganz Deutschland – und eine davon tutet in Münster: Martje Saljé ist die Türmerin auf der Lambertikirche, im höchsten Dienstzimmer der Stadt. Gefragt ist hier oben eine Persönlichkeit, die mit Einsamkeit umgehen, aber auch medienwirksam auftreten kann: Für ihre ungewöhnliche Tätigkeit interessieren sich Medienvertreter aus aller Welt. Ihr Horn, das ein wenig nach Nebelhorn klingt, hört man allnächtlich, zwischen 21 Uhr und Mitternacht über den Dächern der Altstadt Münsters. Längst warnt es nicht mehr vor heranrückenden Feinden, aber es gehört trotzdem zu Münster wie Rathaus und Dom. Und sogar mögliche Brände hat die Türmerin im Blick – mit Fernglas neben sich und direktem Draht zur Feuerwehr. Öffentliche Führungen auf den St. Lamberti Kirchturm sind aus versicherungstechnischen Gründen leider nicht möglich, aber die Türmerin schreibt bei Facebook und hat ein eigenes Blog – auf diese Weise bekommen alle Interessierten einen Einblick in ihre Arbeit.

Zugleich wacht die Türmerin über eine der schauerlichsten Sehenswürdigkeiten der Stadt: Am Kirchturm unterhalb ihrer Stube hängen jene drei Eisenkörbe, in denen einst die Leichen dreier hingerichteter Täufer-Anführer zur Schau gestellt wurden – zur Abschreckung künftiger Missetäter und Rebellen. Dass der siegreiche Bischof die Körbe ausgerechnet hier aufhängte, hatte seinen guten Grund. St. Lamberti war die Marktkirche der Bürgerschaft – und die hatte während der Täuferrebellion nicht zum ersten Mal gegen den bischöflichen Oberherrn aufgemuckt.

Begonnen hatte alles als religiöser Protest und als Bürgeraufstand gegen die Stadtherrschaft des Bischofs. Es endete 1535 in einer blutigen Katastrophe. Als Bischof Franz von Waldeck anrückte, um seine rebellischen Untertanen wieder zu Gehorsam und altem Glauben zurück zu zwingen, radikalisierte sich der Widerstand: Das protestantische Münster verwandelte sich in eine Stadt der „Wiedertäufer“. Unter dem Druck von Krieg und Belagerung erlangten die Täufer, eine radikale protestantische Bewegung, unter ihrem Anführer Jan van Leiden die Oberhand und errichteten in Münster das „Täuferreich“. Damit nun machte die Stadt europaweit Furore: Für manche als „Neues Jerusalem“ und Zeichen der Erlösung. Für die meisten jedoch als Sündenpfuhl, dessen Sitten- und Gottlosigkeit durch Gemeineigentum, Vielweiberei und angemaßtes Königtum bewiesen war.

Nach rund einjähriger Belagerung mit einem Heer von 7.000 Landsknechten nahm Franz von Waldeck schließlich im Sommer 1535 die Stadt ein und richtete unter der verteidigenden Bevölkerung ein Blutbad an. Drei Täufer-Führer, unter ihnen Jan van Leiden, wurden nach ausgiebiger Folter hingerichtet und schließlich in eisernen Körben an der Lambertikirche zur Schau gestellt. Als „Wiedertäuferkäfige“ hängen sie dort noch heute und sind ein beliebtes Fotomotiv.

Übrigens: Mit den Täufern war die Geschichte der Bürger-Auflehnung gegen den Landesherrn in Münster keineswegs beendet. Mehr als 100 Jahre später, im Gefolge der westfälischen Friedensverhandlungen, versuchten Münsters Bürger den Status einer freien Reichsstadt zu erlangen. Erneut überzog der Landesfürst, Bischof Christoph Bernhard von Galen, Münster mit Krieg und Belagerung. Als „Bommen-Berend“ (Bomben-Bernd) erlangte er Berühmtheit – mit der Beschießung seiner eigenen Stadt.

Ohne es zu ahnen, schuf der Fürstbischof nach seinem Sieg einen Grundstein für das heutige junge Münster: Seine Zitadelle, mit freiem Schussfeld auf die Stadt angelegt, baute Münsters berühmter Baumeister Johann Conrad Schlaun später zum prächtigen Barockschloss um. Und das wurde dann zum zentralen Sitz der münsterschen Universität – heute eine der größten Deutschlands.

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