Mettwurst und Töttchen, Panhas und Pickert – diese westfälischen Spezialitäten kennen viele. Lemgoer Strohsemmeln und „Ahle Wurscht“ sind weniger bekannt. Ein kulinarischer Streifzug durch die Städte der Westfälischen Hanse.
Die Soester wussten schon im Mittelalter, was zu einem ordentlichen Essen gehört. Das prächtige Bleiglasfenster über dem Nordportal der spätgotischen Kirche St. Maria zur Wiese zeigt das letzte Abendmahl von Jesus Christus mit seinen Jüngern – statt Wein und Brot kredenzt der unbekannte Schöpfer des „Westfälischen Abendmahls“ Jesus und seinen Jüngern bei ihrer letzten gemeinsamen Mahlzeit jedoch Schweinskopf, westfälischen Knochenschinken, Bier aus großen Steinkrügen, kräftiges Schwarzbrot und zum Abschluss ein Schnäpschen. Darauf lassen zumindest die entsprechenden Gläser schließen, die man rechts neben dem Teller mit dem Schinken entdecken kann….
Nicht nur über das „Westfälische Abendmahl“ können die Soester Gästeführer bei ihren Stadtführungen eine Menge interessanter Geschichten erzählen. Ein Thema ist auch Pumpernickel, das süßliche Schwarzbrot, das Napoleon mit den Worten „C’est bon pour Nick“ (Gerade mal gut genug für mein Pferd Nick) verschmäht haben soll. Übrigens ein echtes „Soester Original“, denn hier wurde es in der Bäckerei Haverland zuerst gebacken.
Eine besondere Wurstspezialität ist die „Ahle Wurscht“, wie sie im Waldecker Land um die Stadt Korbach gemacht wird.
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„Ahle“ heißt im nordhessischen Dialekt „alte“, denn die Wurst muss lange reifen, bis sie fertig ist. Die Reifekammern, in denen die Würste altern, werden in Nordhessen auch „Wurstehimmel“ genannt. Bei den Bauern trockneten Würste und Schinken früher im Rauchfang über dem Herdfeuer, dem „Westfälischen Himmel“.
Salz war in vergangenen Jahrhunderten für die Konservierung von Lebensmitteln unverzichtbar – und dementsprechend begehrt. Westfälische Hansestädte wie Geseke oder auch Soest verdanken ihren historischen Wohlstand nicht zuletzt dem „Weißen Gold“, das früher mit Hilfe von Salinen aus salzhaltigem Quellwasser – Sole – gewonnen wurde. Auch in Rheine im Norden des Münsterlands gibt es so eine Saline, und sie ist auch noch in Betrieb. Das dort gewonnene Salz wird in kleinen Säckchen abgepackt und zum Preis von 2,50 Euro verkauft.
Typisch münsterländisch sind Töttchen. Ursprünglich ein „Arme-Leute-Essen“ und aus Schlachtresten, allerlei Innereien und Zwiebeln gemacht, wird das süß-saure Ragout heute vor allem aus hochwertigem Kalb- und Rindfleisch zubereitet. In Warendorf isst man Töttchen besonders gerne Mitte Oktober auf dem „Fettmarkt“. In Ahlen werden die Töttchen oder auch Töttken immer im September beim „Pöttkes- und Töttkenmarkt“ gefeiert. In Münster gibt es Töttchen zum Beispiel im seit 1607 bestehenden „Alten Gasthaus Leve“.
Ähnlich wie bei Töttchen in der traditionellen Machart werden beim Panhas die weniger begehrten Teile eines Schlachttiers verwertet. Grundlage ist die Brühe, in der beim Schlachten die Würste gekocht werden. Dazu kommen Salz, Pfeffer, Piment und gemahlene Nelken und heute auch Hackfleisch, Blutwurst, Zwiebeln und Speck. Angedickt wird die Brühe anschließend mit Blut und Buchweizenmehl. In der Pfanne wird der in fingerdicke Scheiben geschnittene Panhas dann knusprig gebraten und zum Beispiel mit ebenfalls gebratenen Apfelringen, Sauerkraut und frischen Bratkartoffeln oder Kartoffelpüree serviert. In Hattingen wird der Herbstanfang jedes Jahr mit dem Panhasfest eingeläutet.
Welches Getränk geht am besten mit einer deftigen Portion Panhas? Ein frisch gezapftes Pilsken! Nach Pilsener Art gebraute Biere aus dem Sauerland wie Veltins oder Warsteiner sind über Deutschland hinaus beliebt.
In Münster steht traditionell das Altbier im Mittelpunkt der Bierkultur. Das 1816 gegründete Brauhaus Pinkus Müller im kneipenreichen Kuhviertel ist eine der letzten von ehemals über 150 Altbierbrauereien in Münster. Bemerkenswert: Hier wurde 1978 das deutschlandweit erste Bio-Bier gebraut.
Die alte ostwestfälische Hansestadt Herford hat sich spätestens 1878 mit der Gründung der Brauerei zum Felsenkeller auf die westfälische Bier-Landkarte gesetzt. Das Sortiment des seit 2006 als Herforder Brauerei firmierenden Unternehmens reicht von Pils, Landbier und Export bis hin zu den saisonalen Sorten Maibock und Weihnachtsbier und darf in Herford und Umgebung bei keinem Fest fehlen – auch nicht bei dem alljährlich in Herford begangenen „Radewiger Kohlfest“.
Was wenige wissen: Herford war lange Zeit die süßeste Stadt Deutschlands. Noch in den 60er Jahren duftete die gesamte Herforder Innenstadt nach Schokolade und gerösteten Kakaobohnen. 1860 gründeten Johann Heinrich Knigge und Friedrich de Fries die erste Süßwarenfabrik. In den 1920er und 1930er Jahren war Herford mit 49 Süßwaren- und Schokoladenbetrieben einer der wichtigsten Produktionsstandorte für Süßwaren in Deutschland. Heute gibt es noch zwei Schokoladenproduktionsstätten in Herford. Am besten lässt sich die leckere Geschichte Herfords bei einem der kulinarischen Stadtrundgänge in Herford erleben.
Ein Geheimtipp aus Westfalens Osten ist das Warburger Bier der seit 1721 existierenden Brauerei Kohlschein. Durch die traditionelle, handwerkliche Herstellung entstehen diese anspruchsvollen und süffigen Bierspezialitäten. Hierbei spielen Gerste und andere regionale Rohstoffe und eine umweltfreundliche Produktion eine wichtige Rolle. Ganz regional und sehr lecker zum Warburger Bier: Reibeplätzchen mit Kartoffeln aus dem fruchtbaren Boden der Warburger Börde.
Ebenfalls mit Kartoffeln wird Pickert gemacht. Der Kartoffel-Hefe-Kuchen ist gewissermaßen das Nationalgericht Lippes und hat sich seit dem 19. Jahrhundert vom „Arme-Leute-Essen“ zur beliebten Spezialität gemausert. Besonders in der kalten Jahreszeit erfreut sich der Pickert großer Beliebtheit, schließlich kann er, je nach Vorliebe, sowohl süß – mit Marmelade oder Rübenkraut – als auch herzhaft – mit echter lippischer Leberwurst gegessen werden. Echte Lipper nehmen beides: Leberwurst und Rübenkraut.
Nicht nur typisch lippisch, sondern typisch Lemgo ist die Strohsemmel. Ihr widmet die alte Hansestadt jedes Jahr am letzten Juniwochenende ein ganzes Fest. Und woher kommt der Name Strohsemmel? Der Tradition entsprechend werden die Strohsemmeln auf Stroh gebacken.
Brot nach Paderborner Art gibt es in ganz Deutschland. Auch das Bier der Paderborner Brauerei erfreut sich mittlerweile bundesweiter Beliebtheit. Außerdem ist die Stadt an den Paderquellen für ihre Frömmigkeit bekannt. Deshalb hat die Tourist Information Paderborn das „Paderborner Pilger-Picknick“ mit Bier, Wurst, Paderborner Brot, einem Vesperbrett und einem scharfen Messer erfunden – ideal für Pilger auf dem langen Jakobsweg nach Santiago oder bei einer Tagestour auf dem Alten Pilgerweg bei Paderborn.
Aus Getreide lässt sich nicht nur Brot und Bier machen, sondern auch Hochprozentiges: Die „Destillerie 1113“ von Thomas Fiedler im waldreichen Brilon produziert den „Briloner Haumeister“ – eine geistige Hommage an seine Heimatstadt und ihren Wald. Ein Haumeister war in alten Zeiten der Chef eines Trupps Waldarbeiter. Passend dazu stellt Fiedler den Hausmeister-Likör aus einem Destillat von Fichtennadeln her und bringt so den Geschmack des Waldes in die Flasche.
Auch die alte Hansestadt Soest hat ihre eigene Likör-Spezialität – das „Soester Bullenauge“. Hierbei handelt es sich um einen Edelmokka-Likör, der mit einem Schuss flüssiger Schlagsahne versetzt und in Likörschalen serviert wird. Es ist sozusagen das „Nationalgetränk“ der Soester Allerheiligenkirmes – Europas größter Altstadtkirmes.
Der Korbacher Goldtrunk erinnert daran, dass der „Eisenberg“ nahe der nordhessischen Stadt Deutschlands größte historische Goldlagerstätte ist. Dem Kräuterlikör sind nämlich kleine feine Goldblättchen beigemischt. Der Goldtrunk kann bei der Tourist-Information Korbach gekauft werden – und die alten Stollen im Eisenberg kann man besichtigen.
Regionale Lebensmittel in Hülle und Fülle bieten die großen Wochenmärkte in Münster oder Soest. In der Hellweg-Metropole bauen Markthändler und Imbissstände zwischen Dom, historischem Rathaus und Petrikirche immer dienstags, donnerstags und samstags ihre Stände auf – frischer und in einem schöneren Ambiente kann man Steckrüben, Stielmus, Grünkohl und Börde-Äpfel kaum einkaufen. Auf dem Domplatz in Münster ist normalerweise jeden Dienstag und Samstag Markt. Hier steht der traditionelle münsterländische Bauer neben den holländischen Fisch- oder Käseständen, Anbieter mediterraner oder orientalischer Köstlichkeiten neben dem zertifizierten Biohof aus der Region. Für viele Kenner ist der Wochenmarkt in Münster einer der schönsten Märkte Europas.