Westfalen ist voller Löcher – fast wie ein Schweizer Käse. Sagenumwobene Höhlen, alte Bergwerksschächte und düstere Verliese warten in den Städten der Westfälischen Hanse und ihrem Umland darauf, entdeckt zu werden. Eine abenteuerliche Reise in die westfälische Unterwelt.
Ob Höhlen, alte Stollen, Minen oder das Kupferbergwerk – im Stadtgebiet von Marsberg am Ostrand des Sauerlands stoßen Besucher auf Spuren einer langen Bergbaugeschichte. So erinnert die Drakenhöhlen an die Sage von Siegfried, der hier den Drachen Fafnir besiegt haben soll, um anschließend in dessen Blut zu baden und so unverwundbar zu werden.
Der historische Bergbau ist in Marsberg ein großes Thema. Hier gab es einst eine der größten Kupferlagerstätten in Europa und der Stadtberger Kupferdistrikt gab bis zu 750 Arbeitern Brot und Lohn. Weitere Bodenschätze wurden im Bereich der heutigen Stadt Marsberg und Umgebung abgebaut: Bleierz im Raum Blankenrode, Oesdorf und Westheim. Vorkommen gab es auch bei Udorf und Heddinghausen. Gipsstücke wurden am Bilstein und bei Leitmar gefunden und Kupfererze am Eresberg, Bilstein, Jittenberg, Ohmberg, Buchenberg, Lüttgenberg, Leitmar und Giershagen. Im Land der 1000 Berge schlummern noch immer viele Schätze!
Wer an die Hansestadt Korbach denkt, denkt an Kaufleute und Handelsreisende, an spätgotische Bauwerke und idyllische Fachwerkgassen inmitten der historischen Altstadt. Doch auch unter der Erde hat Korbach viel zu bieten: Allem voran einen ganzen Berg voller Gold – Deutschlands größte Goldlagerstätte im Eisenberg beim Ortsteil Goldhausen. Reiner und schöner als das legendäre böhmische Gold, was Bergleute, Fürsten, Kaufleute und Goldschmiede seit 800 Jahren in ihren Bann zog. Doch auch Kupfer und Eisen wurden in Korbach und der näheren Umgebung abgebaut. So heißt es bis heute: Korbach ist steinreich!
Bergbau war für viele Jahrzehnte, sogar Jahrhunderte ein lukratives Geschäft. Die Minen brachten Arbeit und Brot für eine ganze Region. Meter für Meter wurden die Stollen unter der Erde entlang der Flöze vorangetrieben und vielfach entstand ein weit verzweigtes System von Schächten und Stollen. Die besten Fundstellen wurden ausgebeutet und der Erde die Schätze entrissen. Heute sind die Gruben im Land allesamt stillgelegt. Für den Steinkohlebergbau hieß es vor wenigen Wochen erst „Schluss im Schacht“. Mit der letzten Schicht auf Prosper Haniel in Bottrop ging eine ganze Ära zu Ende.
In und um Hattingen sind viele Zeugen der Industrie- und Bergbaugeschichte des Ruhrgebiets noch gegenwärtig. Die Stadt befand sich mittendrin im „Land der 1000 Feuer“. Im Eisen- und Stahlwerk Henrichshütte waren bis 1987 bis zu 10.000 Arbeiter beschäftigt. Hier wurde Eisen, Stahl und Koks produziert und Metall weiterverarbeitet. Die Henrichshütte ist heute Industriemuseum und zentraler Punkt der Route der Industriekultur. Auch die Erinnerungen an die Ruhrschifffahrt und die Ruhrtalbahn werden in Hattingen lebendig.
In der Elfringhauser Schweiz, einem kleinem Mittelgebirge südlich des Ruhrtals kann man Relikte früher Kohleförderung wie das unter Denkmalschutz stehende Lichtloch des Herzkämper Erbstollens besichtigen.
In Sprockhövel erwartet die Besucher das älteste original erhaltene Steinkohleflöz des Ruhrbergbaus im Forschungs- und Besucherbergwerk Stock und Scherenberger Erbstollen. Man kann den rund 300 Jahre alten Erbstollen befahren und ist dann mitten im Arbeitsalltag der Bergleute von vor 270 Jahren.
Kohlezechen gab es nicht nur im Ruhrgebiet, sondern auch am Teutoburger Wald: Das Museum Industriekultur Osnabrück zeigt die Geschichte der Industrialisierung von Stadt und Landkreis Osnabrück seit dem 18. Jahrhundert bis zur Gegenwart. Ein wichtiger Schwerpunkt ist die Ära des Steinkohleabbaus am Piesberg.
Das Haseschachtgebäude – ein ehemaliges Zechengebäude aus dem 19. Jahrhundert, das mit seiner großartigen Rundbogenarchitektur zu den schönsten Bauwerken seiner Art in Deutschland zählt – bietet dem Besucher einige Überraschungen. Dampfmaschinen werden in Betrieb gezeigt und von der Schachthalle des Haseschachtgebäudes fährt man – wie einst die Bergleute – mit einem gläsernen Fahrstuhl 30 Meter tief ins Bergwerk ein und begeht einen 300 Meter langen historischen Bergwerksstollen, der zum Magazingebäude mit der ehemaligen Waschkaue führt, in der sich die Bergleute den Kohlenstaub abwuschen und die heute für Sonderausstellungen genutzt wird.
In Ostwestfalen und im Sauerland können zahlreiche mittlerweile stillgelegte Erzbergwerke besucht werden. Es ist jedes Mal ein kleines Abenteuer, wenn man als Besucher unter Tage einfährt und durch einen Museumsstollen geführt wird. Die Orte erzählen Geschichten aus einem entbehrungsreichen Arbeiterleben und einem oft gefährlichen Arbeitsalltag. Wer also neugierig ist und in seiner Freizeit noch etwas lernen will, der ist in den Städten der Westfälischen Hanse gerade richtig. Die Angebote richten sich an die ganze Familie und lassen Groß und Klein staunen.
Bei den unterirdischen Attraktionen von Werl geht es nicht um Bergbau, sondern um Strafvollzug. „Kerker, Keller, Katakomben“ sind hier die Stichworte. Die Ruine des Kurfürstlichen Schlosses in Werl hat es nämlich in – oder besser – unter sich: Das Labyrinth von Werl. Gerade diese Unterwelt ist es, die die Besucher immer wieder aufs Neue fasziniert und in ihren Bann schlägt. Dort, wo bis ins 19. Jahrhundert Gefangene ausharren mussten, erleben Spaziergänger heute schaurig-schöne Momente.
Steter Tropfen höhlt den Stein. Die Natur hat in Millionen von Jahren unter der Erde zahlreiche Spalten und Höhlen hinterlassen. Das Sauerland ist voll davon. Die spektakulärsten Höhlensysteme im Sauerland kann man besichtigen und dort in eine geheimnisvolle Welt voller bizarrer Formen eintauchen. Die bekanntesten und größten Höhlen des Landes sind die Atta-Höhle, die Bilsteinhöhle, die B7-Höhle, die Heinrichs-Höhle, die Recken-Höhle und die Balver Höhle, in der der sagenhafte Schmied Wieland von Zwergen sein Handwerk gelernt haben soll.
Es sind die durch Kalkablagerungen entstandenen Stalagmiten und Stalaktiten, die den Besucher in der Warsteiner Bilsteinhöhle in ihren Bann schlagen. Kein Künstler könnte sich faszinierendere Formen für seine Skulpturen ausdenken. Besucher der Höhle tauchen ein in die faszinierende Welt von Stalagmiten und Stalaktiten. Das Höhlensystem ist 1.850 Meter lang, davon können 400 Meter bequem mit einer Führung begangen werden. Es scheint, als habe die Natur Freude daran, mit Kalkstein zu spielen und daraus Bemerkenswertes zu formen – ein Besuch im Bilsteintal bei Warstein lässt dies vermuten.
Hoch interessant sind die paläontologischen und vorgeschichtlichen Funde, die in der Höhle gemacht wurden: Knochen vom Höhlenbär, Höhlenlöwe, Höhlenhyäne und Rentier sowie Reste von menschlichen Besiedlungsphasen wie ein Kupferdolch der Glockenbecherkultur oder ein Zylinderhalsgefäß der Urnenfelderkultur.
Vor über hundert Jahren entdeckten Arbeiter in den Biggetaler Kalkwerken bei Attendorn nach einem Sprengschuss einen neu entstandenen Felsspalt: Als sich die Staubwolke gelegt hatte, krochen sie wie Höhlenforscher mit Laternen und Stricken bewaffnet hinein, und was die von Neugier getriebenen Steinbrucharbeiter sahen, verschlug ihnen die Sprache. Ohne es zu wissen, hatten die Arbeiter von Attendorn ein echtes Naturwunder freigelegt: die Atta-Höhle, benannt nach der sagenhaften Fürstin Atta, der auch die Hansestadt Attendorn ihren Namen verdankt.
Heute gehört die Atta-Höhle mit einer Gesamtlänge von 6.670 Metern zu den größten begehbaren Höhlensystemen Deutschlands. Für die Öffentlichkeit sind davon etwa 1.800 Meter zugänglich gemacht worden. Die Atta-Höhle ist heute eines der wichtigsten Ausflugsziele im Sauerland.
Jede der genannten Höhlen offenbart bei einem Besuch ihren eigenen Reiz und gibt ihre besonderen Schätze preis. Oft ist es das Licht, das die Höhle zu einem märchenhaften Ort macht, der die Fantasie beflügelt. Findige Lichtdesigner tauchen die Höhlen in eine Märchenwelt, in der mit ein bißchen Fantasie die sieben Zwerge ihre Hämmer schwingen und der Drache Fafnir Feuer spuckt.