• Stutzäsen, Potthast und ein Urzeit-Dackel
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„Düt is alles use!“: Warum die Briloner ihre (Stadt-)Grenzen ganz genau kennen

Erst mit dem Stutzäsen wird Mann zum waschechten Briloner

In aller Herrgottsfrühe treffen sich alle zwei Jahre die Briloner Bürger zum Schnadegang, der Kontrolle ihrer Stadtgrenzen. Dieser Inbegriff Briloner Brauchtums hat eine lange Tradition und ist den Männern vorbehalten.
Der erste überlieferte Schnadezug fand am 24. Juni 1388 statt, wobei die Stadt Brilon mit der Grafschaft Waldeck einen Vertrag über die Grenzziehung zwischen der Keffliker und der Willinger Mark abschloss. Spätestens seitdem werden die durch Steine markierten Grenzen regelmäßig kontrolliert, lange Zeit alle vier Jahre, seit etwa 1770 (gesichert überliefert ab 1824) alle zwei Jahre. Bei einem Schnadegang wird im Uhrzeigersinn jeweils ein Fünftel der Stadtgrenzen kotrolliert, sodass erst nach fünf Schnadezügen in einem Zeitraum von zehn Jahren das gesamte Stadtgebiet einmal komplett umschritten wird. Eine bedeutende Rolle bei der Schnade spielten die Schützen, die als waffentragende Organisation bei Grenzstreitigkeiten den Forderungen ihrer Stadt Nachdruck zu verleihen hatte. Daher wird der Schnadegang auch in das Schützenfest der St. Hubertusschützenbruderschaft Brilon eingebettet.

Traditioneller Brauch während der Schnade ist das »Stutzäsen«. Vor allem Neubürger werden auf dem Frühstücks- oder Lagerplatz an allen Vieren gepackt, zum Schnadestein geschleppt und dort dreimal mit dem Allerwertesten gegen den Stein gestoßen mit dem Schlachtruf „Düt is alles use!“ (Das gehört alles uns). Dieser Brauch soll den Betroffenen an den Schnadestein erinnern, damit er diesen nicht vergisst. Über den Vorgang wird eine vom Bürgermeister unterschriebene Urkunde ausgestellt und der Buiterling (Neubürger) zum echten Briloner.

Während die Schnade und das Stutzäsen heute ein Volksfest für die Briloner Bevölkerung ist, hatte die Kontrolle der Stadtgrenzen bis zu Beginn des 19. Jahrhunderts einen wichtigen Hintergrund: Die Grenzen des Briloner Grundbesitzes, markiert mit Grenzsteinen oder markanten Bäumen, mussten kotrolliert werden. So forderte z.B. 1723 der Kölner Erzbischof ausdrücklich die regelmäßige Kontrolle der Grenzen. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts ließ der damalige hessen-darmstädtische Landesherr die Grenzen vermessen, um eine Grundlage für die Erhebung von Grundsteuern zu bekommen. Der eigentliche Zweck der Schnadezüge war damit hinfällig. Als 1840 ein Schnadeteilnehmer bei einem Streit zu Tode kam, verboten die Preußen diesen immer mehr zu einem Volksfest geratenen Brauch. Nach einem 1844 nur von Offiziellen begangenen Schnadezug wurde dieser nach mehrmaligen Ersuchen erst wieder 1848 erlaubt. Solche Unterbrechungen sind sonst nur für Kriegszeiten bekannt. Auch im Jahr 2020 wird der Schnadezug aufgrund der Corona-Krise zum ersten Mal seit Ende des zweiten Weltkriegs nicht stattfinden können. In den letzten Jahrzehnten leben diese Traditionen auch in vielen anderen Orten des Sauerlandes wieder auf, ohne jedoch nur annähernd die große Resonanz des Briloner Schnadezuges zu erreichen.

Quellen: Stadtarchiv Brilon; Schopp: Das Obere Sauerland im Spiegel der Geschichte (3. Teil ab 1850) – Arbeits- und Leseheft für die Schulen des Kreises Brilon. Josefs-Druckerei Bigge 1960.

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