Die Hansestadt Hattingen an der Ruhr bietet lebendige Stadtgeschichte auf Schritt und Tritt. Das gilt für historische Gebäude, aber auch für starke Frauen, deren Spuren hier bis heute unvergessen sind.
Eine von ihnen ist Mathilde Franziska Anneke (1817 – 1884). Sie gehörte zu den aktivsten Kämpferinnen für Demokratie, Freiheit und soziale Gerechtigkeit in Deutschland und den USA. Kindheit und Jugend verbrachte sie in Hattingen. Zunächst lebte die bürgerliche Familie in Blankenstein in der Vidumestraße, später zogen sie in die Hattinger Innenstadt zum Obermarkt. Aufgewachsen in einer liebevollen Familie, musste sie sich nach der Heirat mit einem gewalttätigen Ehemann durch einen langjährigen Scheidungsprozess kämpfen. Der Richter forderte sie auf, zu ihrem Ehemann zurückzukehren, doch die Hattingerin widersetzte sich und wird schuldhaft geschieden. Sie darf die Tochter behalten, Unterhalt bekommt sie nicht. Als Journalistin und Schriftstellerin versuchte sie, sich und ihre Tochter durch das Leben zu bringen. Sie gründete 1848 die „Neue Kölnische Zeitung“, die sie im Namen ihres wegen seines politischen Engagements inhaftierten zweiten Ehemannes Fritz Anneke herausgab. Im Juli 1849 musste das Ehepaar Anneke aus Deutschland fliehen und emigrierte mit seinen zwei Kindern in die USA. Hier gründete Mathilde Franziska Anneke eine deutschsprachige Frauenzeitung, engagierte sich in der Frauenbewegung, kämpfte für die Rechte der Indianer und gegen die Sklaverei.

Ein „Stolperstein“ in der Hattinger Innenstadt am Steinhagen erinnert an Emmy Roth (1885-1942). Sie wurde als Emmy Urias in eine der bedeutendsten jüdischen Familien Hattingens hineingeboren. Bekannt wurde sie durch ihre Silberschmiedekunst. Ihre Familie hatte sich vom Wanderhandel hochgearbeitet und betrieb in Hattingen ein Kaufhaus im Steinhagen 15. Sie selbst machte eine Lehre zur Silberschmiedin und erwarb darin 1906 ihren Meister – als Frau damals eine Besonderheit. Berühmt wurde sie für ihre Alltagsgegenstände wie Kannen und Services im Bauhausstil. Die Stadt Hattingen erinnert an sie seit 2005 mit einem „Stolperstein“ in der Hattinger Innenstadt im Steinhagen. Doch nicht nur das: Schüler und Schülerinnen der Realschule Grünstraße recherchierten in Schulprojekten zu der starken Frau und knüpften ein internationales Netzwerk im Sinne der Völkerverständigung mit ihren Nachfahren.
Im grünen Umland von Hattingen liegt das Antoniusheim. Gegründet wurde es 1924 von Theresia Albers (1872-1949), einer Lehrerin und Ordensschwester. Hier lebten etwa 40 minderbegabte Mädchen, die von den Kreis- und Wohlfahrtsämtern vermittelt wurden. Doch diese Arbeit geriet mit dem Beginn der nationalsozialistischen Herrschaft 1933 in Gefahr. Es ist dem geschickten Taktieren Theresia Albers’ zu verdanken, dass die Kinder im Heim blieben und nicht abtransportiert wurden. Auch nach dem Krieg nahm sie viele Obdachlose und Kranke auf. Heute werden die Einrichtungen des Ordens von der Theresia-Albers-Stiftung verwaltet.

Starke Frauen hat Hattingen nicht nur in der Wirtschaft und im Sozialen, sondern auch in der Politik zu bieten. Emma Horbach (1884 – 1976) war ein Bergarbeiterkind und arbeitete zunächst als Dienstmädchen. Sie verlor ihre Stellung, weil der Hausherrin die Äpfel nicht schmeckten, die sie auf dem Markt gekauft hatte. Im Hattinger Stadtteil Blankenstein arbeitete sie in einem Lebensmittelgeschäft, lernte Karl Horbach kennen und heiratete ihn 1907. Als junge Ehefrau interessierte sie sich früh für Politik, doch das preußische Vereinsgesetz verbot bis 1908 die Mitarbeit von Frauen in politischen Parteien. Emma Horbach kandidierte 1919 bei der Hattinger Stadtratswahl, zog 1924 als Stadtverordnete in den Hattinger Rat und 1929 als einzige Frau in den Kreistag ein. 1930 zog sie in den Westfälischen Provinziallandtag ein. Aus dem Dienstmädchen Emma Horbach war eine Politikerin geworden. In Hattingen errang Dr. Dagmar Goch 2004 als erste Frau das Amt der Bürgermeisterin.