Starke Frauen in der Hanse

Widerstand, Würde und Wagemut

Sie waren durchsetzungsstark, eigensinnig, unbeirrbar – die Wegbereiterinnen von Frauenrechten und der Emanzipation in den Städten der westfälischen Hanse. Statt Schwerter führten sie Haushaltsbücher, Stalllaternen, Zeitungen, Apotheken, Kinderwagen – und vor allem kluge Gedanken. Diese Frauen stehen stellvertretend für all die Frauen, die auch heute tagtäglich engagiert und selbstbewusst ihrer Arbeit nachgehen, sich für ihre Familien, die Gesellschaft und die Politik einsetzen und weiter für die Anerkennung ihrer Rechte eintreten.

Wer meint, die Geschichte der Hanse sei ein reines Männerkapitel, sollte genauer hinsehen. Oder besser: weiterlesen und sich überraschen lassen.

Denn es waren Frauen wie Anna Veltmans (1604–1665), die in Lemgo ein florierendes Leinenhandelsgeschäft führten, Lieferketten organisierten, fair mit Weberinnen verhandelten – und so erfolgreich wurden, dass man sie zur Bedrohung erklärte. Nach dem Tod ihres Mannes übernahm sie das Geschäft, verweigerte den Beitritt zur männerdominierten Händlergilde – und wurde als „unsoziale Konkurrenz“ diffamiert. Zwei Hexenprozesse folgten. Sie überlebte den ersten – den zweiten nicht. Eine Frau, die sich nicht beugte, wurde verbrannt, weil ihr Mut nicht ins System passte.

Oder Dorothea Strubberg (1724–1798), die nach vier Todesfällen in ihrer Familie eine Apotheke durch Krieg und Chaos führte. Als zweifache Witwe, Mutter, Geschäftsfrau und Großmutter überstand sie den Siebenjährigen Krieg, hielt den Betrieb am Laufen und verteidigte ihre wirtschaftliche Existenz. Ihre Hofapotheke existiert bis heute – sie selbst wurde 1798 als „erste rechtschaffene Frau in jedem Betracht“ geehrt.

Amalie von Gallitzin (1748–1806), Münsteraner Gastgeberin eines der bedeutendsten europäischen Salons der Aufklärung, war ihrer Zeit weit voraus. Bei ihr trafen sich Philosophen, Geistliche, Reformer – von Fürstenberg bis Overberg und diskutierten. Bildung war für sie kein Luxus, sondern Voraussetzung für Selbstbestimmung – auch und gerade für Frauen.

Und natürlich Annette von Droste-Hülshoff (1797–1848), die leise Kämpferin. Ihre Gedichte wirken zart, sind aber von sprachlicher Klarheit. Während andere über Liebe oder Blumen dichteten, schrieb sie über Schuld, Tod, Naturgewalten – das Düstere, das Ungesagte. Sie war Außenseiterin im eigenen Stand, kränklich, unverheiratet – und ist doch eine der eindrucksvollsten westfälischen Stimmen bis heute. Ihre Sprache macht sie zu einer Wegbereiterin weiblicher Literatur.

Mathilde Franziska Anneke (1817–1884) erstritt sich in Deutschland das Sorgerecht für ihre Tochter – und wurde später in den USA zur Leitfigur der Frauenbewegung. In Köln gründete sie 1848 ihre erste politische Zeitung, musste fliehen und setzte sich im Exil unermüdlich für die Rechte von Frauen, Schwarzen und Indigenen ein. In Milwaukee baute sie eine Schule für Mädchen auf.

Elisabeth Ney (1833–1907) erklärte als junge Frau: „Ich will nicht heiraten, ich will Bildhauer werden.“ Gegen alle gesellschaftlichen Konventionen setzte sie sich durch, wurde akademisch ausgebildet und später international bekannt. Sie porträtierte Bismarck und Schopenhauer, reiste durch Europa – und wanderte schließlich nach Texas aus, wo sie das kulturelle Leben mitprägte.

Josefine Meier wurde um 1840 zur ersten Schützenkönigin Brakels. Sie setzte sich als einzige Frau unter 85 Männern durch und stiftete sogar eine Gedenkmünze, die bis heute am Schützenkleinod hängt. Ihr Name war fast vergessen – bis ein Fund in der Pfarrkirche ihre Geschichte wieder ans Licht brachte.

Elisabeth Agnes Becker (1858–1932) – das legendäre „Butterbettchen“ aus Arnsberg – trug über 50 Jahre hinweg nicht nur Eier, Käse und Wurst durch das Sauerland, sondern auch Verantwortung. Sie handelte selbstständig, erledigte Besorgungen für andere, half Bedürftigen – und wurde zur lokalen Legende.

Maria Morgenroth (1930–2023) schließlich war das, was man eine Seele der Stadt nennt. Jahrzehntelang engagierte sie sich im Sport, in der Inklusion, in der Kultur – und nähte zuletzt mit über 90 Jahren noch Kittel für den Schnadegang. Ihr Lebensmotto: „Geht nicht, gibt’s nicht.“

Die Beiträge dieser Serie führen durch Jahrhunderte weiblicher Präsenz: Von Beginen, Kauffrauen und Friedensvermittlerinnen über Apothekerwitwen, Sportpionierinnen, Bürgermeisterinnen und Stifterinnen bis hin zu Denkerinnen und Dichterinnen, die noch immer nachwirken.

Diese Reihe will nicht verklären. Sondern erinnern. Sichtbar machen. Fragen stellen. Und zeigen, dass weibliche Stärke viele Formen kennt: rebellisch und selbstbewusst, fürsorglich, klug, mutig und zukunftsweisend, aber vor allem immer noch notwendig. Denn die Rechte von Frauen sind immer noch nicht überall durchgesetzt. Es gilt weiter dafür einzutreten.

Willkommen bei den starken Frauen der Hanse.
Jetzt wird’s konkret.

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01

Arnsberg

Butterbettchen

Elisabeth Agnes Becker, genannt Butterbettchen – „eine selbständige Kleinunternehmerin, […] eine hart arbeitende Frau mit ausgeprägten kommunikativen Fähigkeiten […].“ (Peter Bürger) Elisabeth Agnes Becker, geb. 1858, gehörte von ca. 1880 bis 1930 zum Arnsberger Stadtbild. Auch heute noch, über 90 ... mehr
02

Brakel

Hexenprozesse und Schützenfest – Zwei Kapitel weiblicher Geschichte

Die zwei Brakeler Mädchen der Hexen- und Besessenenverfolgung Die Geschichte der zwei Brakeler Mädchen, die in den Kontext der Hexenverfolgung und Besessenheit fallen, ist tragisch und bezeichnend für die dunkle Zeit der Hexenverfolgung im 16. und 17. Jahrhundert. Ihre Namen waren Klara Fincken und Katharina ... mehr
03

Brilon

Spuren im Sauerland – Zwei Frauenleben für Brilon und die Gemeinschaft

Wilhelmine Ida Maria Hövener Gewerkenerbin – Studienrätin – Stifterin Wilhelmine Hövener wurde am 13. September 1906 in Brilon geboren und verstarb am 17. Dezember 1999. In ihrer Persönlichkeit verbinden sich ein einzigartiges Familienerbe und das persönliche Wirken für die Stadt Brilon und die ... mehr
04

Hattingen

Hattingen und die starken Frauen

Die Hansestadt Hattingen an der Ruhr bietet lebendige Stadtgeschichte auf Schritt und Tritt. Das gilt für historische Gebäude, aber auch für starke Frauen, deren Spuren hier bis heute unvergessen sind. Eine von ihnen ist Mathilde Franziska Anneke (1817 – 1884). Sie gehörte zu den aktivsten Kämpferinnen für ... mehr
05

Korbach

Dorothea Strubberg

Die Geschichte von Dorothea Strubberg ist eine Geschichte von Tod und Verlust, aber auch von Lebenswillen und für ihre Zeit ungewöhnlichem Unternehmergeschick. Aber der Reihe nach… [caption id="attachment_5400" align="alignnone" width="300"] Portrait von Dorothea Strubberg[/caption] Johanna Dorothea ... mehr
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Lemgo

Die Lemgoer Kaufmannswitwe Anna Veltmans

In der Hanse spielten Frauen, vor allem da sie nicht rechtsfähig waren, keine Rolle; dort herrschte eine reine Männerwelt. Geschäftstüchtig waren die Kauf-mannsfrauen aber sehr wohl. Dass sie ihren Ehemännern zur Hand gingen, war keinesfalls unüblich. Wenn sich der Ehemann auf Geschäftsreise oder in Dependancen ... mehr
07

Münster

Frauen und Mädchen zur Hansezeit

Vom 12./13. Jahrhundert bis zum 17. Jahrhundert entwickelte sich neben der Selbst- oder Eigenversorgung der Siedlungen und Gehöfte, zwischen Stadt und Land sowie den Städten ein zunehmender Handel von Produkten und auch ein Fernhandel weitete sich immer mehr aus. Dazu waren eine Produktion über den Eigenbedarf ... mehr
08

Soest

„…als hätte es uns nie gegeben“

Ob durch die Bürgermeisterin Ingrid Kipper, die Dichterin Ida Wagner, die Künstlerin Elisabeth Coester, die Bildhauerin Hedwig Maria Ley oder Luise Meier, die im Zweiten Weltkrieg jüdische Verfolgte vor der Deportation rettete – die Soester Geschichte wurde stets von starken, mutigen und entschlossen handelnden ... mehr
09

Telgte

Über sieben Jahrzehnte in Frauenhand

Christine Ernesti heiratete am 11.5.1790 Clemens August Anton Terfloth, einen Mühlenerbpächter. Als der preußische Staat zu Beginn des 19. Jahrhunderts Eigner der Mühlen wurde, ergab sich für Christines Mann die Möglichkeit die Mühlen zu erwerben. Er trat in Kaufverhandlungen ein. Nach dem Tod ihres Mannes im ... mehr
10

Wesel

WeiberWege in der Hansestadt Wesel

In der Gegenwart die Vergangenheit entdecken – die WeiberWege in Wesel Konrad Duden und seine „Erfindung“ ist über Wesels Grenzen hinaus bekannt. Aber was ist mit Ida Noddack? Oder Mathilde Franziska Anneke? Oder den vielen anderen starken Frauen, die in der Weseler Stadtgeschichte ihre Spuren hinterlassen ... mehr
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