Das Baujahr unserer Kirche mit dem mächtigen Turm an der Westseite lässt sich nicht genau ermitteln. Wahrscheinlich wurde das Gebäude um das Jahr 1200 (zur Zeit des Grafen Arnold von Altena-Isenburg) errichtet. Die jetzige Kirche hat aber eine kleinere Vorgängerin aus der Zeit nach dem Jahr 820, von der 1972 bei Grabungen im Kircheninnern Reste eines romanischen Pfeilersockels und zwei Säulenbasen entdeckt wurden, die jetzt unter dem Holzfußboden des Kirchenschiffs rechts vom Mittelgang verborgen sind.
Im Kircheninneren, das fast quadratisch ist, fällt besonders die bauliche Zusammenfügung von Altar, Kanzel und Orgel auf, ferner die zehn großen Fensteröffnungen. Dieser Zustand ist das Ergebnis eines radikalen Umbaus der Kirche in den Jahren 1807 – 1810. Davor wurde der Innenraum von kleineren Fenstern erhellt, die man teilweise von außen noch sehen kann. Die Kirche vor 1807 hatte ein wahrscheinlich flaches Kreuzgratgewölbe mit drei Schiffen von gleicher Höhe, das von sechs steinernen Pfeilern getragen wurde. Die Kirche erschien als „dunkel“ und „dumpf“ (so P. Nonne 1890). Anlass für den Umbau war eine schon länger beklagte Baufälligkeit: Im Jahr 1804 hatte sich ein Stein aus dem Gewölbe gelöst, so dass die Gottesdienste in die „Kleine (reformierte) Kirche“ am Krämersdorf (heute Johannis-Turm) verlegt wurden. Dazu kamen aber auch Überlegungen aus dem Zeitgeist zu Beginn des 19. Jahrhunderts, dem die alte Kirche als zu eng und zu dunkel vorkam, so wie auch die Stadt Hattingen mit ihren fünf Stadttoren als zu eng erschien. Beim Umbau 1807 ff. ließ man nur den Turm, den Chor und die Seitenmauern stehen. Die Inneneinrichtung (Altar, Kanzel, Orgel, Taufstein usw.) wurde entfernt. Das Kirchenschiff wurde dann mit einer tonnenförmigen Holzbretterdecke als Gewölbeersatz ausgestattet. Die Bretter wurden aber bereits 1850 durch dunkle, neue ersetzt, von denen ein Teil in einem freien Feld der jetzigen hellen Kassettendecke über der hinteren Empore sichtbar ist. Diese Kassettendecke mit ihren 298 vergoldeten Aluminiumsternen wurde im Jahr 1954 eingezogen.
Die Orgel wurde im Jahr 1830 gebaut. Sie steht wie die ganze Kirche unter Denkmalschutz. Der Orgelbauer hieß Christian Rötzel und stammte aus Alpe bei Eckenhagen im Bergischen Land. Die Orgel hat zwei Manuale und 31 Register, davon 14 Register im Hauptwerk, 10 im Brustwerk und 7 Register im Pedal. Zur Orgel gehören rund 2150 Orgelpfeifen. Näheres zur Orgel siehe unten.
Der Raum hinter dem Altar ist die Sakristei, war jedoch vor 1807 der Chorraum der Kirche. In ihr sehen wir als Folge eines Um- bzw. Wiederaufbaus der Kirche nach Zerstörungen durch Kriegsereignisse in den Jahren 1314 und 1429 noch gotische Gewölbepfeiler, deren sechs Rippen sich im Gewölbe über bzw. hinter dem Orgelgehäuse in einem Schlussstein treffen. Die hinter der Orgel erkennbaren gotischen Spitzbogenfenster sind von außen zugemauert. Die ursprüngliche Sakristei befand sich vor 1807 in einem zweigeschossigen Anbau an der Nordseite der jetzigen Sakristei. Von außen kann man jetzt noch den früheren Zugang sehen.
Ein weiterer ehemaliger Kircheneingang ist an der Südseite der Kirche erkennbar.
Unser Taufstein stammt aus dem Jahr 1977 und ist von dem westfälischen Künstler Wolfgang Kreutter gestaltet. Sein Vorgänger war ein Holzständer mit einer kleinen Taufschale. Der Originaltaufstein der alten Kirche von etwa 1570 wurde im Zusammenhang des Umbaus 1807 ff. der Katholischen Kirchengemeinde überlassen, die ihn in ihrer Pfarrkirche St. Peter und Paul in der Bahnhofstraße rechts neben dem Altarraum aufgestellt hat und für ihre Taufen nutzt.
Zu beiden Seiten des Fensters rechts vom Altar befinden sich „Sakramentsnischen“. Sie gehören zu einem der Altäre, von denen es vor der Reformation zehn gab. Die Nischen waren beim Umbau 1807 ff. zugemauert, aber bei der Renovierung 1972 wieder freigelegt worden. Ähnliches gilt von den beiden großen Nischen mit Rundbögen in der Turmhalle, durch die vor 1807 offenbar ein Durchgang zu den Anbauten am Turm (südlich: das „Beinhaus“, nördlich: die „Alte Taufe“) führte. Diese Anbauten wurden ebenfalls 1807 ff. abgebrochen.
Aus dem Jahr 1934 stammen die Bänke des Kirchenschiffs, gleichzeitig wurden auch die beiden großen Treppenaufgänge zu den Emporen eingebaut. Bei der Renovierung 1972 wurde die Bankanordnung geändert und der Abstand zwischen den einzelnen Reihen vergrößert, so dass die Kirche jetzt nur noch rund 600 Sitzplätze hat.
Besonders markant sind die zehn großen Fenster mit ihren zwanzig überwiegend biblischen Themen. Sie wurden von Prof. E. Bischoff-Gelsenkirchen entworfen und ab 1950 eingebaut. Diese Jahreszahl befindet sich auf dem Fenster des „St. Georg“. Näheres zu den Kirchenfenstern siehe unten.
Der Kirchturm ist nach überwiegender Meinung von Anfang an schief angelegt worden, damit er den oft wehenden Südwestwinden besser standhält. Vor 1807 war der Turm noch höher und noch schiefer. Jetzt hat er einschließlich Kreuz und Hahn eine Höhe von 56,73 Metern, wie Architekt Lindner-Dortmund festgestellt hat, der die Neuverschieferung des Turms 1976 leitete.
Im Turm befinden sich vier Glocken, die 1950 aufgehängt wurden, nachdem sie vorher den Deutschen Evangelischen Kirchentag in Essen eingeläutet hatten. Näheres zu unseren Glocken siehe unten.
Im Zuge einer umfangreichen Sanierungsmaßnahme in den Jahren 1989 – 1991 mit Stabilisierung des Turmmauerwerkes sowie einer Erneuerung des Dachstuhls (fast das gesamte Holzwerk wurde durch eine aufwendige Stahlkonstruktion ersetzt) und des Daches über dem Kirchenschiff wurden wieder auf der Nord- und Südseite des Daches je fünf „Gauben“ angebracht, die der besseren Belüftung des Dachstuhls dienen.
Das ganze Mauerwerk der Kirche war früher auch von außen verputzt und weiß gekalkt, so dass die heute erkennbaren Fenster und Türöffnungen der alten Kirche verdeckt waren. Der letzte Putz wurde 1932 entfernt.
Der Kirchplatz war vom 9. Jahrhundert an bis zum 31. März 1813 der Friedhof der Kirchengemeinde. Die letzten Gräber wurden 1848 eingeebnet. Die 26 Grabsteine direkt an der Kirche wurden 1986 neu geordnet. Der älteste Stein trägt die Jahreszahl 1617.
Unsere Kirche hatte in ihrer katholischen Zeit als Schutzpatron den „Heiligen Georg“. Nach der lutherischen Reformation im 16. Jahrhundert wurde dieser Name nicht mehr verwendet. Man sprach allgemein von der „Großen Kirche“ im Unterschied zu der seit 1737 im Krämersdorf existierenden „Kleinen Kirche“ der Reformierten Kirchengemeinde, die sich 1898 mit der größeren Kirchengemeinde zur „Ev. Kirchengemeinde Hattingen“ zusammenschloss.
Am 15.12.1926 fasste die Leitung dieser Kirchengemeinde den Beschluss, die „Große Kirche“ nunmehr „St.-Georgs-Kirche“ zu nennen und die „Kleine Kirche“ die „Johannis-Kirche“. Von dieser steht infolge der Kriegsereignisse im März 1945 nur noch der Turm, der an die Stadt Hattingen abgegeben wurde.
Text: P. Frederking, 11/1992