„It‘s hip to be square“ sangen Huey Lewis and the News vor 30 Jahren. Schon 700 Jahre vorher dachte man in Westfalen offensichtlich genauso. Die Jahrzehnte um 1300 waren Boom-Jahre: Die Landwirtschaft produzierte immer mehr Lebensmittel, die Hanse ermöglichte wagemutigen Kaufleuten den Handel mit Salz, Getreide, Fisch, Pelzen, Stoffen und Metallwaren von Gent und Brügge in Belgien bis nach Norwegen und Russland. Der Wohlstand der Städte auch in Westfalen wuchs, und die Bevölkerungszahlen schossen in die Höhe.
Das wirtschaftlich erstarkende Bürgertum fing an, sich seine eigenen Kirchen zu bauen, und die Anforderungen an diese Kirchen waren anders, als bei den Kathedralen der Bischöfe und den Hofkapellen der Fürsten: Viele mehr oder weniger gleichberechtigte Zuhörer sollten der Predigt und den Zeremonien des Gottesdienstes gut folgen können. Vorher wurden wichtige Kirchen meistens als „Basilika“ gebaut, mit einem hohen Mittelschiff und niedrigeren Seitenschiffen – dort waren die „billigen Plätze“. Die neuen Bürgerkirchen hatten drei gleich hohe Schiffe, so dass jedes Gemeindemitglied annähernd gleich gut die himmelsstürmenden Bögen und die leuchtenden Bleiglasfenster seines Gotteshauses im Blick hatte.
Auch die Predigt sollten alle möglichst gut mitbekommen – deswegen kamen die Baumeister auf die Idee, den Kirchenraum quadratisch zu gestalten – so waren die Gottesdienstbesucher alle relativ nahe am Altar und ein Priester konnte vielen Gläubigen gleichzeitig die Leviten lesen. Besonders häufig sind solche Kirchenbauten in Westfalen zu finden – deswegen nennt man ihren Grundriss in der Kunstgeschichte auch „Westfälisches Quadrat“. Die älteste Hallenkirche mit annähernd quadratischem Grundriss in Westfalen ist wohl der Herforder Münster, 1220-1250 im spätromanischen Stil erbaut. Auch die Marienkirche und St. Jacobi in Herford sind lang wie breit, genauso wie die Jakobikirche in Lippstadt, die Lambertikirche in Münster und St. Pankratius und Sebastian in Warstein.
Das schönste Westfälische Quadrat formen sicher die schlanken Pfeiler der Wiesenkirche in Soest: Der Innenraum ist 24 Meter hoch, von den 2.600 Quadratmetern Wand- und Deckenfläche sind 836 Quadratmeter aus buntem Glas. Die Fenster zeigen das christliche Programm in leuchtenden Bildern, und mit regionalen Bezügen: So zeigt das Fenster über dem Nordportale das letzte Abendmahl von Jesus und seinen Jüngern ganz westfälisch: Statt mediterraner Küche mit Wein und ungesäuertem Brot gibt es in Soest Schnaps, Bier und Schinken. Um es mit Huey Lewis zu sagen: „It‘s hip to be square!“