Schon vor 1531 kamen die mit dem Klerus unzufriedenen Soester Bürger durch reformatorisch gesonnene Prediger und Kaufleute, die in bereits reformierten Regionen von der Lehre gehört hatten, in Kontakt mit der lutherischen Lehre. Den Anstoß zur Reformation in Soest gab der Thesenanschlag des Dominikanermönchs Thomas Borchwede am 20. November 1531 am Portal der Stiftskirche St. Patrokli. Seine 22 Thesen formulierten in pointierter Weise die Lehre Luthers in knapper Form. Der davon verursachte sogenannte Thomas-Auflauf vom 21. bis zum 24. Dezember 1531, ausgelöst durch die provozierte Verhaftung des charismatischen Prädikanten Johann Wulff van Kampen, folgte eingeübten Verfahrensweisen bei Konflikten in der Stadtgesellschaft. Vertreter der reformatorischen Bewegung und Verfechter des katholischen Glaubens wählten einen gemeinsamen Ausschuss, der mit dem altgläubigen Rat über die konfessionellen Verhältnisse verhandelte. Die Bereitschaft zum Konflikt wurde durch Plünderungen und das Verhaften der beiden Bürgermeister nachdrücklich bekräftigt. Diese Art der Konfliktlösung war schon im Mittelalter üblich, wenn die Bürgerschaft glaubte ihre Rechte würden nicht eingehalten werden. Nach Verhandlungen beider Parteien wurde im Bundbrief vom 22./23. Dezember 1531 festgelegt, dass in Soest das evangelische Bekenntnis eingeführt werden sollte. Gefestigt wurde dies durch die neue Kirchenordnung, die Anfang 1532 von Gerhard Oemeken verfasst wurde, den der Rat vom bekannten Kupferstecher Heinrich Aldegrever aus Lippstadt holen ließ. Dies geschah gegen den Willen des Landesherrn, des Herzogs von Kleve, der für alle seine Länder eine gemeinsame, humanistisch ausgerichtete Kirchenordnung erstellen ließ. Die Soester Kirchenordnung, die bereits am 16. April 1532 vom Rat angenommen wurde, befasste sich mit den Grundprinzipien des Glaubens, der Messordnung, aber auch mit dem Verhältnis zwischen Bürger und Obrigkeit.
Wegen der Einsetzung eines geistlichen Oberhaupts für den neuen Glauben, eines Superintendenten, schrieb der Rat an den sächsischen Kurfürsten, der seinerseits Martin Luther einschaltete. Luther schrieb dann direkt an den Rat zurück und empfahl schließlich den flämischen Geistlichen Johann de Brune, um die „richtige“ reformatorische Lehre in Soest zu festigen, die durch angebliche Aufrührer gefährdet war. De Brune kam im Juni 1532 in die Stadt und ging gegen die Prädikanten vor. Philipp Melanchthon, der auf Initiative der Soester Prediger die Neuordnung des Schulwesens anregen sollte, widmete seine Schrift zur Errichtung einer lateinischen Schule 1543 der Stadt Soest. Hier liegen die Wurzeln des heute noch existierenden Archigymnasiums.
Endgültig war die Konfessionsfrage noch nicht entschieden, denn vom 23. bis zum 27. März 1533 folgte der sogenannte Lätare-Aufstand. Dessen Verlauf ähnelte dem Thomas-Auflauf mit dem Ergebnis, dass die wirtschaftliche und soziale Lage der Mittel- und Unterschicht verbessert und durch eine von de Brune verfasste Liste mit 22 Artikeln der Umgang mit den Klöstern und der freie Eigentumsgebrauch der katholischen Kirche geregelt wurde. Danach wurde Soest zu einer evangelischen Stadt.
Text: Katharina Holthaus